Die Zeit bis zur Einweihungsparty verging fast wie
im Flug. Immer war etwas zu tun. Immer kam eine neue Kiste mit noch wichtigeren
Dingen zum Vorschein. Dinge, die einen neuen Platz brauchen, verstaut werden
mussten, um anschließend wieder in Vergessenheit zu geraten. Hätte ich in den
letzten Tagen nicht selbst viele davon in der Hand gehabt, hätte ich mich
niemals an diese Sachen erinnert.
Vielleicht hätte ich sie irgendwann vermisst.
Vielleicht. Aber ich glaube eher nicht.
Wenn man sich nicht einmal an ihre Existenz erinnern
kann, braucht man sie dann wirklich? Meine Eltern scheinen davon überzeug zu
sein. Schon sind wieder alle Regale voll, die Schränke quellen fast über und
die besonders wichtige Dekoration beginnt mit dem Einstauben. Der nicht endender
Kampf zwischen Staubtuch und Deko - Artikeln hat erneut begonnen. Was hat sich
verändert?
Nichts.
Nicht wirklich.
Das Haus ist neu. Aber würde man es mit alten
Bildern vergleichen, würde kein Unterschied auffallen. Aber die Nachbarn, die
seit etwa einer Stunde auf unserem Sofa sitzen haben dies natürlich nicht
bemerkt. Wie auch? Sie kennen uns ja nicht. Können noch nicht hinter die
Fassade schauen.
Für sie sind wir eine nette Familie, mit vier
Kindern, zwei fleißigen Eheleuten - immerhin sind beide berufstätig, keine
Selbstverständlichkeit heutzutage - und einem mit vielen Familienbilder und
Erinnerungsstücken eingerichtetem Haus.
Vier wirklich braven und liebenswürdigen Kindern.
Selbst meine große Schwester erweist meinen Eltern den Gefallen und hat ihr
freundlichstes Lächeln aufgesetzt, während sie meiner Mutter beim Aufdecken des
Kaffeetisches hilft.
Die Zwillinge spielen mit den kleinen
Nachbarskindern. Streiten sich nicht, teilen ihre Spielsachen und selbst als
der Nachbarsjunge die in mühsamer Kleinstarbeit erbaute Lego - Burg demolierte
gab es keine bösen Worte.
Wahre Engel also.
Könnten sie nicht immer so sein?
Nein.
Masken kann man nicht unbegrenzt tragen. Irgendwann
muss die Wahrheit, das wahre Ich, ans Tageslicht. Ich weiß es, denn ich trage
sie heute auch.
Sitze ich doch gerade neben meinem Vater auf der
Couch und lausche interessiert dem Gespräch der Erwachsenen. Leider gibt es in
der Nachbarschaft kein Kind in meinem Alter. Und mit den kleinen Spielen? Nein
danke.
Dann heuchele ich doch lieber noch ein wenig
Interesse. Und auch wenn man sich nicht selbst loben soll, muss ich doch
feststellen, dass ich meinen Job bisher ganz gut mache. Werde ich doch hin und
wieder ins Gespräch mit einbezogen.
Bravo.
Applaus.
Diese Feier ist eine wirklich gute Vorstellung von
der ganzen Familie. Das Theaterstück eines neuen Versuches, einer heilen und
glücklichen Familie, in einer neuen Stadt hat hiermit begonnen. Es ist nur eine
Frage der Zeit, bis sich der Spannungsbogen aufbaut und seinen Höhepunkt erreicht.
Ob sie diesmal den Bogen überspannen? Oder haben sie aus der ersten Episode der
Geschichte gelernt und es wird ein Happy End geben?
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