Montag, 6. Oktober 2014

Masken - Kapitel 2 / Teil 1



Kapitel 2 - Mein erstes Werk


Ich weiß genau was ich mit meinem ersten Werk aussagen will, und doch weiß ich nicht, wie ich es ausdrücken soll.
Nicht mit Sprache, das wäre zu direkt und ist in diesem Stadium meiner Geschichte noch nicht angebracht. Später, wenn sie mich gefasst haben, erst dann wird die Sprache meine Ausdrucksweise sein.
Symbole sollen mein Werk erklären, sollen der Welt verdeutlichen was ich sehe.
Das weiß ich.
Das Gesicht eines Menschen ist dafür geschaffen seine Emotionen zu zeigen, sein Selbst widerzuspiegeln und mit dem Gegenüber zu interagieren.
Das Gesicht ist die Maske des Menschen.
Wir versuchen es zu kontrollieren, mit Schminke zu verändern oder zu überdecken, um zu verbergen was und wie wir wirklich sind.
Ich werde meinen beiden Opfern das Gesicht nehmen, um ihnen so symbolisch die Maske nehmen.
Auch das weiß ich.
Wie man einen Menschen häutet, weiß ich jedoch nicht. Doch ich werde es lernen. Wenn ich beim Kochen einem Fisch seine Haut nehmen will, muss ich dies ebenso ausprobieren.
Üben.
Mein Messer ist scharf und ich bin willens mein Können auch in diese Richtung auszuweiten. Das erste Mal wird sicher nicht schön. Aber mit jedem Versuch sollte es besser werden.
Ich bin bereit es zu lernen.
Aber ihnen das Gesicht zu nehmen ist nur der Anfang. Oder genauer das Ende, die Schlussfolgerung, das Fazit.
Jedes gute Statement besteht nicht nur aus der Aussage an sich, sondern beinhaltet ebenso eine Begründung. Warum musste es soweit kommen und was hat mich dazu bewogen, ihr wahres Selbst offenzulegen.
Nur ich weiß um die Gründe.
Betrug.
Verrat.
Aber die Entdecker meiner Botschaft sollen es ebenfalls sehen, wissen und verstehen.
Noch bin ich mir nicht im Klaren darüber, wie ich dies am Besten verdeutliche, wie ich einem Fremden zeige, wie die beiden Toten wirklich waren.
Noch weiß ich es nicht.
Wenn die Zeit da ist, werde ich die Antwort auf diese Frage kennen, werde ich fühlen, dass es richtig ist.
Später.
Als erstes werde ich mir einen Überblick über die Bühne verschaffen. Das Schlafzimmer, in dem ich noch immer stehe, hatte ich ja schon einer näheren Prüfung unterzogen, und nur die kleine Kommode gegenüber vom Bett, direkt links neben der Tür fehlte noch für den Gesamteindruck.
Grundsätzlich ein schöner Ort, um mein Werk zu präsentieren, aber nicht perfekt. Zu viel Blut verunstaltet das Bild. Es würde sehr wahrscheinlich von den eigentlich wichtigen Bestandteilen ablenken. Von meiner Botschaft.
Ich drehe mich um und verlasse das Schlafzimmer. Die Tür lasse ich offen stehen. Aus einem unerfindlichen Grund habe ich das Gefühl, dass sich die Leichen darin, sollte ich sie schließen, gegen mich verschwören könnten.
Irrsinn.
Aber vermutlich ein Produkt meiner unterdrückten Zweifel über die Zukunft, in Kombination mit einer schon seit meiner Kindheit lebhaften Phantasie.
Mit der offenen Tür im Rücken, nehme ich die Eindrücke von dem kleinen Flur in mir auf. Auch in dem Flur setzt sich der Eindruck einer einfach gehaltenen Berghütte, der schon auf dem Bild im Schlafzimmer entstanden ist, fort. Auf der einen Seite führt die alte, knarrende Treppe wieder nach unten ins Erdgeschoss. Sie ist steil und eng. Es dürfte schwierig sein die beiden Leichen auf eine Bühne ein Stockwerk tiefer zu bringen, ohne sie weiter zu beschädigen. Vor allem der Mann dürfte mindestens so viel wiegen wie ich. Wenn nicht sogar mehr.
Schwer.
Vermutlich zu schwer für mich.
Ich wende mich von der Treppe ab und dem Flur an sich zu.
Er ist nur wenige Quadratmeter groß und bietet niemals genug Platz um zwei Leichen in Position zu bringen.
Eng.
Unpassend.
Bleibt nur noch der Raum gegenüber.
Ich lege meine Hand auf die Türklinge und versuche zu spüren, was diese Berührung in mir bewirkt. Wird dieser Raum der sein, den ich suche? Werde ich hinter dieser unscheinbaren Tür den perfekten Hintergrund für mein Werk finden? Oder wird auch diese Möglichkeit sich in Luft auflösen und mich zwingen meine Ideen zu verändern?
Langsam senke ich die Klinge und schiebe die Tür auf.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen