Kapitel 2 - Mein erstes Werk
Ich weiß genau was ich mit
meinem ersten Werk aussagen will, und doch weiß ich nicht, wie ich es
ausdrücken soll.
Nicht mit Sprache, das
wäre zu direkt und ist in diesem Stadium meiner Geschichte noch nicht
angebracht. Später, wenn sie mich gefasst haben, erst dann wird die Sprache
meine Ausdrucksweise sein.
Symbole sollen mein Werk
erklären, sollen der Welt verdeutlichen was ich sehe.
Das weiß ich.
Das Gesicht eines Menschen
ist dafür geschaffen seine Emotionen zu zeigen, sein Selbst widerzuspiegeln und
mit dem Gegenüber zu interagieren.
Das Gesicht ist die Maske
des Menschen.
Wir versuchen es zu
kontrollieren, mit Schminke zu verändern oder zu überdecken, um zu verbergen was und wie wir
wirklich sind.
Ich werde meinen beiden
Opfern das Gesicht nehmen, um ihnen so symbolisch die Maske nehmen.
Auch das weiß ich.
Wie man einen Menschen
häutet, weiß ich jedoch nicht. Doch ich werde es lernen. Wenn ich beim Kochen
einem Fisch seine Haut nehmen will, muss ich dies ebenso ausprobieren.
Üben.
Mein Messer ist scharf und
ich bin willens mein Können auch in diese Richtung auszuweiten. Das erste Mal
wird sicher nicht schön. Aber mit jedem Versuch sollte es besser werden.
Ich bin bereit es zu
lernen.
Aber ihnen das Gesicht zu
nehmen ist nur der Anfang. Oder genauer das Ende, die Schlussfolgerung, das
Fazit.
Jedes gute Statement
besteht nicht nur aus der Aussage an sich, sondern beinhaltet ebenso eine
Begründung. Warum musste es soweit kommen und was hat mich dazu bewogen, ihr
wahres Selbst offenzulegen.
Nur ich weiß um die
Gründe.
Betrug.
Verrat.
Aber die Entdecker meiner
Botschaft sollen es ebenfalls sehen, wissen und verstehen.
Noch bin ich mir nicht im
Klaren darüber, wie ich dies am Besten verdeutliche, wie ich einem Fremden
zeige, wie die beiden Toten wirklich waren.
Noch weiß ich es
nicht.
Wenn die Zeit da ist,
werde ich die Antwort auf diese Frage kennen, werde ich fühlen, dass es richtig
ist.
Später.
Als erstes werde ich mir
einen Überblick über die Bühne verschaffen. Das Schlafzimmer, in dem ich noch
immer stehe, hatte ich ja schon einer näheren Prüfung unterzogen, und nur die
kleine Kommode gegenüber vom Bett, direkt links neben der Tür fehlte noch für
den Gesamteindruck.
Grundsätzlich ein schöner
Ort, um mein Werk zu präsentieren, aber nicht perfekt. Zu viel Blut
verunstaltet das Bild. Es würde sehr wahrscheinlich von den eigentlich
wichtigen Bestandteilen ablenken. Von meiner Botschaft.
Ich drehe mich um und
verlasse das Schlafzimmer. Die Tür lasse ich offen stehen. Aus einem
unerfindlichen Grund habe ich das Gefühl, dass sich die Leichen darin, sollte
ich sie schließen, gegen mich verschwören könnten.
Irrsinn.
Aber vermutlich ein
Produkt meiner unterdrückten Zweifel über die Zukunft, in Kombination mit einer
schon seit meiner Kindheit lebhaften Phantasie.
Mit der offenen Tür im
Rücken, nehme ich die Eindrücke von dem kleinen Flur in mir auf. Auch in dem
Flur setzt sich der Eindruck einer einfach gehaltenen Berghütte, der schon auf
dem Bild im Schlafzimmer entstanden ist, fort. Auf der einen Seite führt die
alte, knarrende Treppe wieder nach unten ins Erdgeschoss. Sie ist steil und
eng. Es dürfte schwierig sein die beiden Leichen auf eine Bühne ein Stockwerk
tiefer zu bringen, ohne sie weiter zu beschädigen. Vor allem der Mann dürfte
mindestens so viel wiegen wie ich. Wenn nicht sogar mehr.
Schwer.
Vermutlich zu schwer für
mich.
Ich wende mich von der
Treppe ab und dem Flur an sich zu.
Er ist nur wenige
Quadratmeter groß und bietet niemals genug Platz um zwei Leichen in Position zu
bringen.
Eng.
Unpassend.
Bleibt nur noch der Raum
gegenüber.
Ich lege meine Hand auf
die Türklinge und versuche zu spüren, was diese Berührung in mir bewirkt. Wird
dieser Raum der sein, den ich suche? Werde ich hinter dieser unscheinbaren Tür
den perfekten Hintergrund für mein Werk finden? Oder wird auch diese
Möglichkeit sich in Luft auflösen und mich zwingen meine Ideen zu verändern?
Langsam senke ich die Klinge und schiebe die Tür auf.
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