Donnerstag, 23. Oktober 2014

Masken Kapitel 2 / Teil 3



Das unverwechselbare Gefühl von Zufriedenheit macht sind in mir breit.
Aber nicht nur das. Nicht so eindeutig.
Gefühle sind wie ein Gericht, wie ein mehrere Gänge umfassendes Menü. Nicht wie das Fertigfutter, mit dem die meisten Menschen sich heutzutage mästen. Sondern vielmehr wie die Kreationen eines Spitzenkochs.
Sie bestehen nie nur aus einer Komponente. Sind stets mit raffinierten Gewürzen verfeinert. Nie offensichtlich.
Nie einfach.
Erst wenn man sich auf sie einlässt, kann man all ihre Nuancen erfahren, kann man schmecken, was sich hinter dem ersten Eindruck versteckt. Sich ergänzen sich, sind widersprüchlich und harmonieren im selben Augenblick.
Ich schließe die Augen.
Konzentriere mich vollkommen auf das Gefühl, dass ich empfinde, wenn ich an meine Bühne denke, an das Werk, dass ich vollbringen werde.
Vordergründig zeigt sich die Zufriedenheit, die Zufriedenheit darüber, dass die gefundene Bühne all meine Erwartungen und Hoffnungen erfüllt. Meine sich entwickelnde Idee des Werkes ergänzt und vervollständigt.
Ich lasse dieses Gefühl der Zufriedenheit auf meiner Zunge zergehen und entdecke neue Aspekte, die vorher überdeckt wurden.
Das Gefühl der Angst, düster, stechend, berauschend. Widersprüchlich. Die Angst erwischt und verurteilt zu werden. Die Angst, dass die Menschen mich, mein Werk, nicht verstehen werden. Dass ich versagen werde, in meinem Ziel ihnen die Augen zu öffnen. Die Angst, die meine Hände zum Zittern bringt, mir den Schweiß auf die Stirn treibt. Die Angst, die aber auch berauscht, lockt, verführt.
Angst, die ich wieder spüren will, nur um zu zeigen, dass ich über ihr stehe, sie besiegen kann. Es ist das gleiche Gefühl, das Menschen dazu bringt, aus Flugzeugen zu springen, ohne Sicherung zu klettern oder auf viele andere Art ihr Leben zu riskieren. Die Angst, das Leben wie man es kennt zu verlieren.
Aber auch das Gefühl vergeht und wird zu einer Nuance meiner Zufriedenheit.
Der leichte Hauch von Vorfreude, der unter den Schichten aus Zufriedenheit und Angst zum Vorschein kommt überrascht mich. Bisher ging ich davon aus, dass es meine Pflicht ist das Werk zu vollbringen, da sonst keiner zu sehen scheint, was ich in den Menschen sehen kann. Eine Pflicht, die man erledigt, weil sie erledigt werden muss. Nicht weil sie einem Freude bereitet.
Doch jetzt merke ich, dass ich mich darauf freue, das Werk zu vollbringen. Darauf freue, den beiden Leichen im Nebenraum das Gesicht abzuziehen. Die Neugier zu befriedigen, die danach lechzt herauszufinden, wie es sich anfühlen wird.
Dass ich mich darauf freue, dem ersten Werk weitere folgend zu lassen. Anderen Menschen das Leben zu nehmen, um ihre bösen Seiten der Welt zu präsentieren.
Freude und Neugier, zwei unerwartete Nuancen meiner Zufriedenheit, aber keine unwillkommenen.
Langsam öffne ich wieder die Augen und bin zufrieden. Dies ist mein Schicksal und ich freue mich darauf es zu erfüllen.
Es ist Zeit zu beginnen.
Ich entschließe mich, die Leichen im Zimmer des Mordes vorzubereiten. Die Reinheit der Bühne soll nicht durch das Spritzen von Blut zerstört werden.
Alles soll perfekt sein.
Langsam formt sich ein Bild meines Werkes in meiner Vorstellung. Noch ist es nicht perfekt, aber es wird wachsen, gedeihen, bis es fertig ist.
Doch eins weiß ich, die Frau wird meine Hauptdarstellerin sein.
Sie wird im Mittelpunkt stehen, denn Sie ist der Ursprung von alledem.
Sie trug die Maske.
Sie beging den Verrat.
Der Mann war nur Mittel zum Zweck. Und auf diese Weise wird er auch mir dienen.
Den ersten Zweck den er zu erfüllen hat, ist mir als Übungsobjekt zur Verfügung zu stehen. Wenn ich mit seinem seiner Haut zurechtkomme, wird es auch bei ihr funktionieren.
Jetzt, da ich weiß, was ich zu tun habe, zieht es mich zurück in das Zimmer des Mordes. Ich werde mit seinem Rücken beginnen. Eine große Fläche. Vermutlich ein guter Anfang um zu üben. Und selbst wenn es nicht sofort klappt, wird es das Bild später nicht zerstören. Ich werde ihn später einfach mit den Rücken aufs Bett legen, ein paar Anfängerfehler werden dann sicher nicht weiter auffallen.
Praktischerweise ist er auf dem Bauch gestorben, an der Bettkante. Ich muss ihn nur ein wenig von der Bettdecke befreien und kann mit der Arbeit beginnen. Die Haut ist noch warm, wenn auch schon deutlich kälter als bei einem lebenden Menschen. Die kühle Raumluft lässt den Körper langsam aber sicher abkühlen.
Ich betrachte ihn. Überlege wo ich am Besten den ersten Schnitt setzen soll.
Unter seiner Haut sind deutlich die trainierten Muskeln zu sehen. Schon vorher hatte ich den Eindruck, dass er zu der sportlichen Sorte Mann gehören musste. Die definierten Rückenmuskeln bestätigen diese Vermutung. Sein Missgeschick mit der Decke, die Tatsache, dass ich den Kampf gewonnen habe, war wirklich ein Glücksfall. Rein von der Kraft her, hätte ich nie eine Chance gehabt.
Ich setze den ersten Schnitt am unteren Ende des Rücken an und hinterlasse eine feine rote Linie auf seiner Haut.
Wieder einmal stelle ich fest, dass mein Messer ist wirklich scharf ist. Der Gefühl von Stolz weht sanft wie ein leichter Windhauch über mich hinweg.
Mit leichtem Druck führe ich es seine linke Seite hinauf, an der Taille vorbei, bis unter die Achsel. Auch hier zeigt eine feine rote Linie, wo mein Messer sich seinen Weg durch die Haut gesucht hat.
Weiter schneidet ich entlang der Schulter, am Nacken vorbei, bis hinüber zum anderen Arm und den ganzen Weg wieder hinunter zum Anfang.
Es ist kein perfektes Viereck und kein Quadrat, aber es ist in sich geschlossen und rahmt die große Rückenfläche ein.
Ich entscheide mich für die Ecke an der rechten Hüfte und versuche mit Hilfe des Messers ein Stück Haut soweit zu lösen, dass ich es greifen und festhalten kann.
Selbstverständlich klappt es nicht beim ersten Mal. Aber das hatte ich auch nicht erwartet. Ich versuche es trotzdem weiter, bis ich schlussendlich den Anfang gefunden habe.
Vorsichtig beginne ich, die Haut vom Körper zu lösen. Während ich mich auf meine Aufgabe konzentriere, schleicht sich die Frage, wie reißfest ist eine auf diesem Weg abgezogene Haut eigentlich ist, in meine Gedanken. Unsicher darüber, wie die Antwort auf diese Frage aussehen mag, gehe ich mit einer Vorsicht zu Werk, die mich selbst überrascht. Ich ziehe an der Haut und wenn nötig helfe ich mit dem Messer nach, gleichzeitig versuche ich zu erkennen, ob die Haut zu reißen beginnt.
Ich scheine die Technik zwar noch nicht perfekt zu beherrschen, aber gleichzeitig stelle ich fest, dass ich wohl nicht zu viel falsch mache. Es funktioniert. Das vom Körper gelöste Stück Haut wird größer.
Bis ich mit dem Körper des Mannes fertig bin, werde ich sicher um einiges besser sein, denn immerhin habe ich noch einiges vor mir. Der Entschluss ihn von seiner gesamten Haut zu befreien festigt sich und findet seinen Platz in meinem Werk.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen