Auch sie knarrt. Sie wurde
vermutlich lange nicht geöffnet.
Dunkel.
Abgestandene Luft.
Mit der rechten Hand taste
ich nach dem Lichtschalter, denn sehen kann ich in dem Raum nichts. Jemand muss
die Fenster komplett abgedunkelt haben, kein Lichtstrahl findet seine weg
hindurch.
Endlich ertaste ich einen
kleinen unscheinbaren Hebel und lege ihn um.
Für einen Moment, der mir
wie eine Ewigkeit vorkommt, scheint es so, als würde nichts passieren. Für
einen Moment scheint die Zeit wieder stehen zu bleiben. Ich merke, dass ich vor
Anspannung den Atem angehalten habe und kann trotzdem nicht ausatmen.
Doch dann erwacht eine
Glühbirne zu neuem Leben und erhellt den Raum mit ihrem sanften, warmem Licht.
Die Anspannung fällt von
mir ab, ich kann wieder normal atmen, kann mein Glück kaum fassen.
Es ist perfekt.
Was ich sehe gefällt mir.
Dies wird meine Bühne sein. Hier werde ich mein Werk erschaffen.
Ich
hatte richtig vermutet, als ich davon ausging, dass das Zimmer schon seit
längerem nicht mehr verwendet wird.
Es
ist nicht so, dass es verwahrlost, dreckig oder heruntergekommen aussieht. Vielmehr
wirkt es so, als wäre es am Morgen verlassen worden und würde jetzt darauf
warten, dass die Bewohner nach getaner Arbeit am Abend zurückkehren.
Nur,
dass dieser Morgen schon mindestens ein paar Monate zurückliegt und der Abend
der Rückkehr noch nicht angebrochen ist.
Hatte
das andere Schlafzimmer eine angenehme Atmosphäre ausgestrahlt, die jeden Gast
in seinem Bett willkommen heißen sollte, war dieses Schlafzimmer ein verdrehtes
Spiegelbild davon.
Wo
das erste Zimmer durch die Satin - Bettwäsche einen modernen Eindruck erweckte,
sorgt die mit kleinen Blümchen verzierte Baumwollbettwäsche für ein Gefühl des
Vergangenen.
Wo
das Bild der Berghütte mit den schneebedeckten Bergen Ruhe und Frieden
verbreitete, wartete hier eine schweres, dunkles Holzkreuz auf die müden
Besucher.
Die
kleine Kommode im ersten Schlafzimmer findet hier ihren Gegenüber in einem
großen Kleiderschrank aus dunklem Holz, in Kombination mit einer ebenso
wuchtigen und dunklen Kommode. Das dunkle Holz findet sich ebenfalls am Bett,
welches zwar ähnlich aufgebaut ist wie das erste, jedoch nicht aus dem selben
hellen Holz hergestellt wurde. Dunkel ist der Eindruck, dunkel ist die Atmosphäre,
die das Schlafzimmer verbreitet.
Was
dieses Schlafzimmer jedoch in Wirklichkeit von dem ersten unterscheidet, sind
die Bewohner.
Es
ist der Unterschied zwischen einem Gästezimmer, dass jeden Besucher freundlich
empfangen soll, und einem Elternschlafzimmer, aus einer alten Zeit, mit anderen
Idealen.
Das
eine flüchtig und anonym, das andere privat und persönlicher.
Was
die Möbel an düsterer Atmosphäre verbreiten, wird erhellt durch die fröhlichen
Familienbilder auf und über der Kommode.
In
einigen Jahrzehnten werden unsere Kinder und Kindeskinder den Einrichtungsstil
der heutigen Zeit vermutlich genauso hässlich und unverständlich finden, wie
wir heute den, der Generationen vor uns.
Das
sanfte Band, das Familien zusammenhält, wir aber auch dann noch genauso
aussehen wie heute. Gewoben aus den schönen Erinnerungen an gemeinsame Momente
wird es auf vielfältige Weise Gestalt annehmen.
Wie
zum Beispiel in der Sammlung an Moment des Familienlebens in diesem
Schlafzimmer.
Ich
kenne die Bewohner nicht und doch weiß ich, dass es eine vom Glauben, vom
Vertrauen in den jeweils anderen und von Liebe geprägte Ehe war.
Wo
in dem ersten Schlafzimmer die Schatten von Betrug und Verrat in einer Ehe sich
über die freundliche und friedliche Atmosphäre des Schlafzimmers gelegt haben,
haben in diesem Schlafzimmer schon vor Jahren, die Strahlen der Liebe und
Zweisamkeit die Dunkelheit des Zimmer vertrieben.
Licht
und Schatten.
Liebe
und Hass.
Vertrauen
und Verrat.
Es
heißt Gegensätze ziehen sich an. Nun denn, dann soll es so sein.
Das
Licht, die Liebe und das Vertrauen, dass die Bewohner in diesem Schlafzimmer zurückgelassen
haben, werden den Schatten, dem Hass und dem Verrat den ich erlebt habe eine
Bühne geben.
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