Montag, 15. September 2014

Masken - Kapitel 1 / Teil 2

Kontrolle.
Eine Illusion, die wir - wann immer möglich - aufrechterhalten wollen und die doch niemals real sein kann. Bis vor wenigen Augenblicken dachte ich, dass ich diesen Hass, die Erinnerung und die Wunden der Vergangenheit unter Kontrolle habe.
Eine Illusion.
Sie haben mich eingeholt.
Überholt.
Die Kontrolle übernommen.
Ich zwinge mich dazu, die Illusion der Kontrolle über mein Handeln wieder aufzubauen und meinen Blick wieder auf die Szenerie vor mir zurichten.
Ich sehe nun nicht mehr nur ihr Gesicht, sondern auch ihren Körper, wie er halb auf dem Rücken, mit verdrehten Gliedern vor einem großen, modernen Bett liegt.
Ich sehe die Stichwunden, die mein Messer in ihrem Bauch und ihrer Brust hinterlassen hat.
Den zerfetzten BH, schwarz und mit feinen Spitzen.
Rote Striche auf ihrer weißen Haut. Manche größer, ja fast schon klaffend. Manche eher klein und zart.
Letztere waren die ersten. Zögerlich ausgeführt. Zeugen meines gescheiterten Versuches die Kontrolle nicht zu verlieren, mich dem Hass nicht vollständig zu ergeben.
Vergeblich.
Ich erinnere mich daran, wie sie aussah, bevor ich sie zum Objekt meines Hasses gemacht hatte.
Bevor sie tot auf dem Boden vor mir lag.
Sie war eine schöne Frau. Mittelgroß. Schlank. Nicht dünn oder dürr, wie die Models, die uns die Werbung als schön verkaufen will. Sportlich, ohne die weiblichen Kurven zu verlieren. Braune Haare, die sie meist offen über die Schulter fallen ließ oder wenn nötig zu einem einfachen Zopf zusammenband. Ein freundliches, offenes Gesicht. Perfekte Lippen, die fast immer zu Lächeln schienen. Augen die einem stets das Gefühl gaben willkommen zu sein.
All dies war ihre Maske.
Gestaltet und gepflegt, um nach außen das Bild einer ehrlichen und freundlichen Frau zu vermitteln. Einer starken Frau, die es nicht nötig hat sich hinter einer Maske zu verstecken.
Welche Ironie.
Nie hätte ich geglaubt, dass sie in der Lage wäre mir so etwas anzutun.
Nie hätte ich geglaubt, dass ich auf einen Menschen wie sie hereinfallen würde.
Welch ein Irrglaube.
Ich schiebe die Erinnerungen an sie weg und fokussiere wieder das Zimmer. Ein großes Bett. Rustikal und doch modern. Dunkle, glänzende Bettwäsche. Blau. Satin. Das Bett ist aus Holz. Ist es Kiefer? Oder doch eher Buche? Eigentlich interessiert es mich nicht, Holz ist Holz, aber meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Es fällt mir schwer mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich atme einmal tief ein und lasse meinen Blick weiter durch das Zimmer wandern.
Über dem Bett hängt ein Kunstdruck. Ein Motiv aus der Region. Weiße Gipfel, raue Berge. Mittendrin eine einfache Hütte aus Holz.
Einsam und idyllisch.
Perfekt für eine ruhige Zeit zu zweit.
Ich war nicht eingeladen.
Ich war zu viel.
Jetzt bin ich alleine.
Sie war die Erste, aber nicht die Einzige. Zwei. Ein Paar.
Er ist groß, athletisch, mit markanten Gesichtszügen und tot.

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