Der Moment, wenn einem gerade bewusst geworden ist, dass man einen oder sogar mehrere Menschen getötet hat, ist der Moment, in dem der entscheidende Teil der Geschichte eigentlich erst beginnt.
Grundsätzlich gestaltet sich das Töten eines Menschen verhältnismäßig einfach. Unzählige Wege und Mittel können den Tod herbeiführen. So verschieden und doch mit dem gleichen Ende.
Viele Menschen würden mir in diesem Punkt sicher widersprechen, aber auch wenn sie es nicht glauben wollen, sie wären dazu mit Sicherheit in der Lage - wenn die Situation nur motivierend genug ist.
Viel schwieriger und komplizierter ist es allerdings, nach einer solchen Tat sich darauf zu konzentrieren, nicht für diese zur Rechenschaft gezogen zu werden.
In einem solchen Augenblick geht es darum, seine eigenen Spuren zu verwischen, wenn möglich falsche Fährten zu legen oder am Besten die Leichen und den Tatort verschwinden
zu lassen. Um dies zu können, muss man sich jedoch bewusst machen, was geschehen ist und welcher Teil der Geschichte einen am Ende verraten könnte.
Ich bin in dieser Minute, ja in dieser Sekunde, an diesem Punkt in meinem Leben angekommen, habe die im Hass entstandene Szene Stück für Stück wahrgenommen und anschließend realisiert was ich getan habe. Wie ich es getan habe.
Realisiert.
Akzeptiert.
Jetzt muss ich Handeln.
Ich weiß, dass die Toten - sollten sie gefunden werden - direkt zu mir führen werden.
Es ist unvermeidlich.
Auch das habe ich akzeptiert.
Bewusst in diesem Augenblick, unbewusst in dem Moment, als mein Messer in den Körper meiner Frau eindrang. In die Frau, die mir die letzten 3 Jahre als Ehefrau zur Seite stand und mit der ich die letzten 7 Jahre zusammen gelebt habe. Die Frau, die mich verraten und betrogen hat. Die Frau, die mir das Herz nahm und den Hass entfachte.
Die Frage ist nur, ob sie mich, in dem sie auf mich zeigt, im Tode erneut verraten oder ob sie die Polizei von mir ablenken wird.
Der ängstlichere Teil meines Geistes drängt mich dazu, alle Beweise zu vernichten, die Leichen, das Blut, meine Spuren sowie die ganze Hütte einfach in Flammen aufgehen zu lassen.
Vielleicht würde die Polizei auf diese Art an einen Unfall glauben. An einen offener Kamin, an Feuer, dass außer Kontrolle geraten ist. An eine Unachtsamkeit und Unvorsichtigkeit der Bewohner.
Und wenn nicht?
Ich muss an die verschiedenen Polizei – Serien denken, die jeden Abend im Fernsehen laufen. An die Ermittlungsarbeit der Kriminallabore, die anhand von Knochensplittern ganze Fälle rekonstruieren. An die Wissenschaftler, denen ein Haar ausreicht, um den Mörder zu überführen.
Plötzlich kommt mir mein Fall, mein Mord so offensichtlich vor. Jeder der die Hütte sehen wird, wird doch sofort wissen, dass ich es war.
Zweifel.
Sie bleiben, wenn der Hass und die Wut verschwunden ist.
Verzweiflung.
Sie kommt, wenn die Zweifel überhand nehmen.
Ich darf nicht zulassen, dass mich die Zweifel überschwemmen, dass ich mich in der Situation verrenne.
Ich muss die Ruhe bewahren und nachdenken. Ich schließe die Augen und konzentriere mich darauf, meinen Geist und meinen Körper zur Ruhe zu bringen. Erst jetzt wird mir bewusst, dass meine Hände zittern, mein Herz wie verrückt hämmert und mir einzelne Tropfen Schweiß ganz langsam den Rücken runter laufen.
Tatsache ist, dass ich keine Ahnung habe, wie die Polizei arbeitet, wie realistisch die Fernsehserien wirklich sind und wie groß die Gefahr ist geschnappt zu werden.
Ich weiß aber, dass ich keinerlei Vorsichtsmaßnahmen getroffen habe, um Spuren zu verhindern.
Ich weiß außerdem, dass ich als Ehemann sehr wahrscheinlich ins Visier geraten werde.
Ich weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie mich schnappen werden.
Zeit.
Mir wird klar, dass ich diese Zeit nutzen werden, dass ich sie nutzen muss.
Zeit in der ich versuchen muss, die Erkenntnis, die ich durch den Verrat meiner Frau gewonnen habe, an die Welt weiterzugeben.
Ich werde den Menschen ihre Masken nehmen und der Welt zeigen wie die Menschen wirklich sind. Wie verlogen und falsch, wie armselig und heuchlerisch, wie böse und hinterlistig ihre Mitmenschen wirklich sind.
Ich schiebe meine Ängste zur Seite und weiß, was ich tun muss.
Es ist Zeit mit meinem Werk, meinem Vermächtnis zu beginnen.
Und mit meiner Frau und ihrem Liebhaber fange ich an.
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