Sonntag, 21. Dezember 2014

Masken Kapitel 3 / Teil 1



Kapitel 3 -  Die Familie



Ich schaue aus dem Fenster auf eine grüne, saftige Wiese mit Wildblumen und Kräutern, eingerahmt von einem kleinen Bach und einigen Bäumen. Mehrere Schafe fressen sich in der Abendsonne an den Gräsern des Spätsommers satt. Die ersten Anzeichen des Sonnenuntergangs, eine leichte Verfärbung des Himmels, zeigen sich am fernen Horizont. Nicht mehr lange und die Wiese mit den kleinen Schäfchen wird in ein tiefes rot und orange gedrängt sein.
Ländlich.
Idyllisch.
Wenn doch nur diese Ruhe und der Frieden auch im Haus Einzug erhalten würden.
Ich neige leicht den Kopf und lausche auf das Kreischen meiner Geschwister. Sie streiten sich schon wieder. Vermutlich geht es erneut um die Verteilung der Zimmer. Ich hatte gehofft, dass das Thema erledigt war, als wir das Haus zum letzten Mal vor einer Woche angeschaut haben. Schon damals konnten sie nicht aufhören zu nerven, zu streiten. Jeder will unbedingt das größte und schönste Zimmer haben. Keiner kann dem anderen etwas gönnen.
Geschwister.
Ich habe mich einfach komplett herausgehalten und mir das Zimmer genommen, dass keiner wirklich wollte. Es ist nicht das kleinste. Aber es ist auch nicht das Beste.
Wenn sich alle auf die Nummer eins stürzen, bleiben in der Regel die restlichen Alternativen unbeachtet. Nur meine große Schwester hatte einen ähnlichen Gedanken wie ich und hatte sich das zweitgrößte und zweischönste genommen.
Mit Süd - Balkon.
Mit Sonne.
Auch wenn wir nicht mehr in der großen Stadt wohnen, muss sie doch immer perfekt aussehen. Eine sonnengebräunte Haut gehört da natürlich dazu. Also bekam sie den Balkon und ich das drittschönste Zimmer mit Fenster zum Sonnenuntergang und zu den Schafen.
Auch gut.
Nur hatte diese Verteilung bei den beiden Zwillingen für noch mehr Streit gesorgt, blieb doch nur das schönste, größte und das kleinste Zimmer übrig. Eins mit Balkon, ein mit Fenster nach Norden. Eins hell und einladend, eins verhältnismäßig dunkel und trist.
Streit war da zu erwarten.
Aber sie können nichts dafür.
Nicht wirklich.
Meine Eltern sind das Problem.
Sie sind zu sehr mit ihren eigenen Sachen beschäftigt. Merken nicht, was ihre Kinder machen. Merken nicht was sie brauchen.
Sie sollten eingreifen. Ein Machtwort besprechen. Die Zimmer gerecht verteilen. Aber sie ignorieren es. Hoffen vermutlich, dass sich die Probleme von selbst lösen, wenn sie nur lange genug die Augen davor verschließen.
Jetzt ist aus dem Kreischen ein Heulen geworden. Vermutlich hat meine kleine Schwester ihrem Zwillingsbruder wieder einmal wehgetan. Sie wird es leugnen. Mit ihren großen runden Augen meine Eltern anschauen und gewinnen.
Er hat keine Chance. Er muss die Erwartungen an einen Jungen erfüllen. Heulen gehört nicht dazu. Sich von einem gleichalten Mädchen wehtun lassen auch nicht. Er wird verlieren.
Meine Eltern merken einfach nicht, dass er zu feinfühlig ist und sie zu verschlagen. Sie ist ein Mädchen. In einer perfekten, heilen Welt sind Mädchen nett und freundlich. Aber leben wir in einer perfekten, heilen Welt?
Sie lernt einfach schneller. Hat sich schon einiges von unserer Mutter abgeschaut.
Dazu gehört auch der treuherzigen Blick mit den großen Augen, wenn es Probleme gibt.
Der gleiche Blick, mit dem meine Mutter über Monate ihre Affäre mit einem jüngeren Mann vor meinem Vater verheimlicht hat. Der gleiche Blick, der ihn lange hat an den eindeutigen Zeichen zweifeln und an ihre Worte glauben lassen.
Vermutlich dachte er nicht, dass sie genauso untreu sein könnte wie er. Genauso berechnend. Genauso böse.
Ist böse das richtige Wort? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist ein solches Verhalten ja auch normal? Aber hätten sie dann auch so reagiert, wie sie es taten? Wenn es normal wäre?
Als sie herausfanden, wie sehr sie sich doch auch in dieser Hinsicht glichen, beschlossen sie, ihren Probleme davonzulaufen und wegzuziehen.
Natürlich nicht, ohne sich anzuschreien, zu beschimpfen und zu bedrohen. Ruhe kehrte erst ein, als sie aufhörten die Schuld bei sich selbst oder dem Anderen zu suchen. Diese Einstellung machte vieles einfacher.
Nicht sie waren schuld, sondern die schlechte Umgebung. Die Stadt. Die Menschen.
Auf dem Land, in einer kleineren Stadt, mit anderen Menschen würde es besser sein. Würden sie treu sein.
Ich glaube nicht daran. Aber doch hoffe ich, dass sie recht haben. Immerhin sind sie meine Eltern, meine Familie. Was sollte werden, wenn ich nicht einmal an sie glauben kann, ihnen vertrauen kann? Mit meinen 12 Jahren bin ich in einem Alter, wo ich meine Eltern einfach brauche. Als Vorbilder, als rechte und linke Grenze, als Helfer in der Not und als Vertraute.
Ich will es nicht wahrhaben, aber doch weiß ich, dass sie nichts davon erfüllen.
Nicht für mich, nicht für meine Geschwister.
Ein leises Schluchzen zeigt mir, dass mein kleiner Bruder verloren hat. Seine Füße klatschen leise auf dem Laminat, als er seinen Teddy hinter sich herziehend in das kleine Zimmer mit dem Nordfenster schleicht.
Die Stimme meine Mutter direkt hinter ihm, redend und doch nichtssagend. Das Zimmer ist doch schön. Nicht jeder kann das große Zimmer haben. Dir wird es hier gefallen. Einfach nur leere Worte.
Sie merkt nichts.
Versteht nichts.   
Hilft ihm nicht.
Ich mache mir wieder daran, die Kisten auszuräumen.
Der Vorteil davon, dass ich früh wusste welches mein Zimmer sein würde ist, dass die Möbelpacker meine Sachen direkt hineinbringen konnten.
Mein Bett, das Regal, der große Kleiderschrank und mein Schreibtisch stehen schon an ihrem Platz. Nicht mehr lange und alles wird wieder so ordentlich sein wie in meinem alten Zimmer.  Aber das ist auch dringend notwendig. Immerhin sind es nur noch wenige Tage, bis meine Eltern die große Einweihungs- und Kennenlern- Party mit den Nachbarn geplant haben. Bis dahin muss alles perfekt sein. So wenig sie sich auch um unsere Probleme kümmern, umso wichtiger ist ihnen das Bild nach außen.
Die perfekte, harmonische Familie.
Nichts als Show, ein Schauspiel, ein Theaterstück, aber das muss umso überzeugender sein. Es ist eine Maske die wir alle tragen, meine Geschwister, meine Eltern und ich.
In der großen Stadt konnte sie niemanden mehr täuschen, nicht nachdem zu viele Gespielinnen und Affären dahinter schauen konnten. Nachdem die Arbeitskollegen und Mitschüler sich den Mund darüber zerrissen haben. Nachdem meine Eltern sich gegenseitig nicht mehr täuschen konnten.
Aber jetzt sind wir hier.
Alles ist neu.
Neues Haus. Neue Gegend. Neue Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen und Mitschüler.
Neue Masken.
Aber die gleiche Familie. Wie lange wird es wohl dauern, bis sich die ersten Risse in der neuen Fassade zeigen und die Masken verrutschen?
Ich weiß es nicht.
Noch nicht.
Aber es ist nur eine Frage der Zeit.

Rezeptideen: Yorkshirepudding mit Räucherlachs ...

... roter Beete, Spargel und Meerrettich-Dip

Wir ergänzten das Gericht um Forelle - passt auch gut dazu =)
Von einem Gericht, dass Yorkshirepudding heißt, hatte ich vorher schon gehört - gegessen hatte ich es aber noch nie.
Beim Stöbern in unserem 15-Minuten-Küche Kochbuch von Jamie Oliver entdeckte ich es dann. Neue Gerichte ausprobieren macht immer Spaß und mit Räucherlachs, Spargel und roter Beete kann man nicht viel falsch machen. ;) Warum also nicht einfach testen?
Für das Rezept sprach zudem, dass wir eine Vielzahl der benötigten Zutaten noch vorrätig hatten - wirklich praktisch... =)

Anfangen sollte man mit dem Yorkshirepudding, bestehend aus 2 großen Eiern, 65g Mehl und 150ml Milch. Dieser Teig wandert dann in eine ofenfeste heiße Pfanne, in die vorher etwas Olivenöl und 2-3 Zweige Rosmarin (Blätter abzupfen) ihren Weg fanden. Etwa 30 Sekunden garen lassen und dann ab in den vorgeheizten Backofen (200°C). Hier bleibt er, bis er goldbraun und lecker aussieht (~13 Minuten) ...;)
In der Zwischenzeit Kresse auf einem Brett/Teller verteilen und die in Streifen geschnittene Rote Beete nach dem glasieren mit Balsamico und Honig (Mittlere Hitze, 4EL Balsamico 1TL Honig) darauf anrichten.Wenn vorhanden mit Basilikumblättern
Gesund und lecker - perfekt *g*
bestreuen.
Den Spargel in einer Grillpfanne ohne Fett kräftig anbraten und anschließend mit etwas Zitrone, Salz und Pfeffer anrichten.
Für den Dip muss dann noch etwas Jogurt mit geriebenem Meerrettich (wir hatten frischen - es geht aber sicher auch mit welchem aus dem Glas...), Zitronensaft, Salz und Pfeffer abgeschmeckt werden.
Wenn der Yorkshirepudding fertig ist, kann es auch schon fast losgehen. Nur noch den Lachs darauf bzw. außenrum anrichten und fertig ist ein leckeres Abendessen.
Guten Appetit =)

Freitag, 19. Dezember 2014

Der Zion National Park

Der Riverside Walk
Es ist schon einige Zeit her, dass ich von der USA - Reise berichtet habe, aber heute ist es mal wieder soweit. Nachdem wir das Valley of Fire erkundet haben, ging es weiter in den Zion National Park. Praktischerweise hatten wir am Abend vorher nur wenige Meilen vor dem Park einen schönen Campingplatz am Fluss gefunden und konnten so schon früh am Vormittag  den Zion NP besuchen.
Am NP angekommen mussten wir unser Auto auf einem (zu diesem Zeitpunkt noch relativ leeren) Parkplatz abstellen, denn die Straße in den Park ist für private Kfz gesperrt.
Stattdessen fahren Busse eine Vielzahl von Haltestellen im Park an - kostenlos. Informationen über die Busse und den Park gibt es wie immer im Visitor Center.
Schon am Morgen führen die Busse in kurzen Intervallen und die Wartezeit hielt sich daher glücklicherweise in Grenzen. Als wir am Mittag den Park wieder verliesen wurde die Frequenz noch einmal deutlich erhöht und wir konnten ohne Warten direkt in einen Bus einsteigen.
In den Narrows =)
Wir entschieden uns dafür, direkt bis zu letzten Haltestelle zu fahren, um die Zeit mit der geringsten "Touri - Dichte" für eine Wanderung auf dem Riverside Walk und ein Stück hinein in die Narrows zu nutzen. Der Riverside Walk geht etwa 2km entlang des Flusses auf asphaltieren Wegen in den Canyon hinein. An dessen Ende steht der Besucher vor der Entscheidung, wie wichtig ihm trockene Füsse sind. =)
Möchte man den Canyon weiter erkunden und einen Eindruck von den Narrows erhalten, geht der Weg meist durch den Fluss weiter. Bei uns schwanke die Wassertiefe dabei von knöchel- bis über knietief. Man sollte sich über diesen Weg allerdings vorher im Visitor Center erkunden - ggf. kann er gesperrt sein.
Wir entschieden uns dafür, auf trockene Schuhe zu verzichten, das Abenteuer zu wagen und wanderten ein gutes Stück in den Canyon hinein. Es lohnt sich definitiv. Die Entscheidung zu Umkehren war wirklich schwierig, den hinter jeder neuen Biegung bot sich ein neues schönes Bild. Und wenn die Füsse erst einmal nass sind ;) ....
Es wir empfohlen, Wanderstöcke oder die angebotenen Holzstöcke als Hilfe zu nehmen und einige Wanderer hatten extra Neoprenschuhe dabei - es geht aber auch ohne.
Die Zion Mountain Ranch bot frischen Eistee ...
Wenn man noch weniger Zeit hat, sollte man zumindest die etwa 90 Minuten lange Bustour machen, denn schon auf dieser gibt es einige beeindruckende Ausblicke zu genießen. Als wir mit nassen Schuhen wieder am Auto ankamen, machten wir uns auf den Weg zum Ostausgang des Parks, wo wir am Checkersboard Mesa vorbeikamen. Die Straße zum Ostausgang ist für private Fahrzeuge offen und ist inklusiver der Aussichtspunkte an der Strecke ebenfalls eine Fahrt wert.
selbstgemachte Fritten und Burger oder ein richtig guter Salat ..
Wir fuhren weiter in Richtung Grand Canyon North Rim und kamen dabei an einem rustikalen kleinen Restaurant vorbei, das an dieser Stelle einfach nicht vergessen werden darf. Als erstes fallen die Bisons auf der Weide ins Auge, bevor die zugehörige Ranch auftaucht. Ein perfekter Ort um ein leckeres Mittag/Nachmittagessen in Ruhe und in schöner Umgebung zu genießen. =)
 Panorama am Checkersboard Mesa

Mittwoch, 17. Dezember 2014

FAZIT: Do - It - Yourself Pilze

Einige Wochen ist es nun her, dass das Paket für die Pilzzucht ins Haus geflattert kam. Einige Wochen und viele leckere Pilzgerichte sind seitdem vergangen.
Vorgestern war es dann soweit und wir entschieden, dass das Paket seinen Dienst getan hat und leider entsorgt werden muss.
Vorhergesagt waren etwa 4 Ernteperioden, begrenzt durch die Nährstoffe in der zur Verfügung stehenden Erde. Und ich muss sagen, die Vorhersage hat nur zum Teil zu getroffen, waren es doch eher drei. Vorallem die ersten zwei Erntewellen waren sehr sehr ergiebig (wie in vorherigen Posts berichtet). Wobei die enorme Größe der Pilze der ersten Ernte später nicht mehr erreicht wurden - vielmehr näherten sie sich einer "normalen" Größe an - mit jeder Erntewelle wurden die Pilze kleiner.
Die letzten Tage vor der Entsorgung versuchten die Pilze noch einmal zu wachsen, kamen aber über die ersten Anzeichen von Pilz nicht mehr hinaus. Ich vermute, dass da schon fast keine Nährstoffe mehr vorhanden waren.

Mit der "Produktion", d.h. der Größe und Anzahl, war ich im Großen und Ganzen sehr zufrieden - auch wenn die Pilze vermutlich nicht günstiger waren als wenn ich sie im Supermarkt gekauft hätte ;)...
Der Geschmack und die Haltbarkeit der geernteten Pilze haben mir wirklich gut gefallen bzw. geschmeckt =) und alle Erwartungen weit übertroffen.
Probleme gab es an sich nur wenige. Beim Gießen haben wir leider feststellen müssen, dass der Karton nicht komplett dicht war, was aber mit vorsichtigerem Gießen (nie schneller als die Erde das Wasser aufnehmen konnte) nicht weiter schlimm war.
Die Befürchtung, dass die Pilze sich als Fliegenbrutstätte entpuppen würden, bewahrheitete sich nur zum Teil. Während der Erntephasen waren keine Fliegen zu entdecken. Erst als das Pilzwachstum zum Erliegen kam, stieg die Fliegenpopulation stark an - was dann auch der Grund für die Entsorgung war (neben fehlendem Pilzwachstum...).

Zusammenfassend war das Experiment ein Erfolg =) und ich vermute, dass es nicht die letzten Pilze waren, die wir selbst geerntet haben....

Rezeptideen: Selbstgemachte Spätzle und Geschnetzeltes von der Kalbsleber ...

Es gibt Dinge, die isst man nicht jeden Tag. Und es gibt Dinge, von denen man denkt, dass man sie nie essen will. Leber ist für mich soetwas. Gestern habe ich mich dann aber doch überreden lassen, es einmal zu probieren.
Daher gab es am Abend ein Geschnetzeltes von der Kalbsleber mit Apfel und einer wirklich leckeren Cidre - Soße. Dazu machten wir einen kleinen grünen Salat und Spätzle.
Ich war wirklich sehr überrascht, wie gut es mir am Ende schmeckte - obwohl ich Leber bisher immer vermieden habe.

Die Spätzle selbst zu machen, macht jedes Mal wieder Spaß. (Bisher drei Mal versucht ;) )
Etwa 350g Mehl, 6 Eier, 14g Salz (klingt viel, sieht auch viel aus, schmeckt aber sehr gut) und 70ml Milch ergeben einen schönen klebrigen Teig. Mittels eines Holzbrettes und eines Messer mit flachem Rücken (es gibt sicher auch professionellere Werkzeuge - aber hauptsache es klappt) wandert der Teig Stück für Stück in das salzige, kochende Wasser.
Die fertigen Spätzle treiben an die Oberfläche und können regelmäßig abgeschöpft werden. Fertig =)...
Damit sie noch ein wenig besser werden, schwenke ich sie gerne im Wok/Pfanne mit etwas Butter an.

Das Rezept für das Leber-Geschnetzelte haben wir hier gefunden: Lecker !
Und der Salat war einfach mit etwas Jogurt, Zitronensaft, Öl, Salz, Pfeffer und ein paar Kräutern (was eben gerade da ist) angemacht.

Guten Appetit =)

Montag, 15. Dezember 2014

Masken Kapitel 2 / Teil 5



Ich nehme eine tiefen Atemzug, genieße den Augenblick, versuche ihn bis ins letzte Detail in meinem Gedächtnis auszunehmen. Ich spüre wie mein Atmen langsam und kontrolliert meine Lungen füllt, dort einen Moment verharrt, bevor er meinen Körper wieder verlässt. Ich konzentriere mich so stark, dass ich das Gefühl habe, die Zeit nach meinem Willen anhalten zu können.
Nichts entgeht mir, nichts werde ich vergessen.  
Mein erstes Werk ist vollendet.  
Nein. Falsch.
Mein erstes eigenes Werk ist vollendet.

Der nette Psychologe - zumindest gibt er sich alle Mühe "nett" zu wirken - sitzt mir noch immer gegenüber, noch immer in einer scheinbar entspannten Haltung, noch immer mit diesem freundlichen Lächeln.
Doch während ich diesen ersten Teil meiner Geschichte erzählt habe, konnte ich sehen, dass meine Schilderungen nicht ohne Spuren an ihm vorbei gegangen sind.
Er wollte es nicht zeigen, aber ich habe es doch gesehen.
Erschrecken.
Angst.
Abscheu.
Gar nicht so nette Gefühlsregungen. Aber auf eine gewisse Weise sehr befriedigend für mich. Der erste Schritt auf dem Weg zu seiner Demaskierung ist getan. Noch verbirgt er seine wahren Gefühle. Noch hat er den Versuch nicht aufgegeben mich zu täuschen, sich zu täuschen, die Welt zu täuschen, darüber, wie er reagieren möchte und was er fühlt.
Ich habe Zeit. Alle Zeit der Welt, um ihm seine Maske zu nehmen. Noch ist meine Geschichte nicht zu Ende.
Seine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
Ein Widerspruch. Er ist ihm aufgefallen.
Sehr gut.
Er führt aus, dass ich ganz am Anfang von einem Haus erzählte, in dem eine Familie ihr Leben verlor. Sie sollten die ersten gewesen sein, denen ich die Maske nahm. Wie ist es dann möglich, dass ich meine Frau und ihre Affäre als mein erstes Werk bezeichne? Wie kann es dann sein, dass der Verrat meiner Frau mich zu dieser Gewalttat getrieben hat, wenn ich schon vorher einer ganzen Familie auf mein Gewissen lud?
Ich kann ein grinsen nur schwer unterdrücken. Hätte ich doch nicht gedacht, dass ihm diese Feinheit auffallen würde. Immerhin geht es um nur ein Wort.
Erstes.
Erstes Werk, erstes Mal die Maske genommen.
Ich widerstehe dem Drang ihm mit einem süffisanten Lächeln zu seiner Beobachtungsgabe zu beglückwünschen. Noch ist es zu früh ihm zu zeigen, wie viel Spaß mir unser Gespräch mittlerweile macht.   
Stattdessen mache ich ihn darauf aufmerksam, dass es keine Fehler meinerseits war, sondern eine Fehlinterpretation durch ihn. Eine verständliche, ja, aber trotzallem eine Fehlinterpretation.
Meine Frau und ihr Geliebter waren mein erstes eigenes Werk, weil es die ersten Menschen waren, die ich mit meinen eigenen Händen getötet habe. Die Familie war die erste, denen ich die Masken nahm. Das Töten überlies ich damals aber noch jemand anderem. Der Menschennatur, der Rachsucht, der Eifersucht, dem Hass.
Ich brauchte nur zu beobachten, was meine Worte in den Menschen auslösten.
Zu beobachten, was passiert, wenn sie plötzlich ohne Maske dastehen.
Zu lernen, wie der Mensch in seinem Innersten wirklich ist.
Ich vergrub dieses Wissen und diese Erfahrungen hinter meiner eigenen Maske. Verdrängte den Hass auf die Lügen hinter eigenen Lügen. Wuchs heran, lernte, studierte, heiratete und vergaß was mich diese Familie lehrte.
Bis zu dem Moment, als meine Lüge zerbrach, meine Maske mir genommen wurde und ich meine Bestimmung erkannte. Bis meine Frau mir alles nahm und gleichzeitig so viel gab.
Nicht nur meine Bestimmung, sondern auch den Impuls zu meinem ersten Werk.
Ich sehe ihm an, dass er mit dieser Antwort nicht gerechnet hatte, dass sie ihn überrumpelt. Er möchte wissen, was damals ihn diesem Haus, in diesem Wohnzimmer, in dieser Familie passiert ist. Was ich gesagt und sie getan haben.
So sei es.

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Masken Kapitel 2 / Teil 4



Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, ob es schon Mittag ist oder sich gar der Tag schon wieder zum Ende neigt. Ich habe komplett das Zeitgefühl verloren und doch meine Arbeit fast vollendet.
Die Bettdecke liegt jetzt auf dem Boden, dunkel gefärbt von dem Blut des Toten auf ihr. Seine Haut habe ich auf dem Bett zusammengelegt.
Ordentlich.
Fast wie ein Hemd oder ein teurer Anzug.
Schlagartig habe ich ein Bild vor Augen, wie die Haut wohl auf einem Kleiderbügel aussehen würde, an den Kanten wieder zusammengenäht zu einem Anzug, den der Tode nur eben kurz ausgezogen hat.
Ich kann ein leichtes Grinsen nicht verhindern, als ich mir dieses absurde Bild einfach vorstellen muss.
Unpassend?
Ja vielleicht. Oder sogar wahrscheinlich. In Gegenwart der Verstorbenen, der Ermordeten, sollte ich ein wenig mehr Ernsthaftigkeit und Respekt zeigen. Doch ich kann nicht verhindern, dass mir dieses Bild immer und immer wieder durch den Kopf geht. Ich will es überhaupt nicht verhindern, denn es lässt mich grinsen, ja fast schon lachen.
Es macht mich glücklich.
Vielleicht sollte ich es in die Tat umsetzten und aus dem Gedanken Wirklichkeit werden lassen. Bisher habe ich praktischerweise auch noch keine passende Stelle für die abgelegte Haut in meinem Werk. Bis auf das Gesicht. Aber das brauche ich für einen Anzug auch nicht.
Ich bücke mich hinunter zur Decke und nehme die beiden Ecken in die Hand. Ohne sie könnte ich den Leichnam nie in das andere Zimmer transportieren. War er vorher schon groß und schwer, bedeutet das Fehlen der Haut zusätzlich noch weniger Halt für meine Hände. Es war schon schwer genug ihn auf die Decke zu legen.
Also beginne ich langsam die Decke über den Boden zu ziehen. Praktischerweise ist der Holzboden relativ glatt. Nicht unbedingt eben. Aber ein Teppichboden hätte mit Sicherheit deutlich mehr Widerstand bedeutet.
Außerdem hinterlasse ich auf diesem Weg keine zu offensichtliche Spur auf den Boden. Keine breite, blutige Schleifspur. Vielleicht werden mir die Besitzer der Hütte dafür zumindest ein wenig dankbar sein. Immerhin ein Raum weniger, der von Blut und Leichen gesäubert werden muss.
Dabei wird mir bewusst, dass ich überhaupt nicht weiß, wem diese Hütte gehört. Ob sie es sich überhaupt leisten können sie zu renovieren, wenn mein Werk erst einmal entdeckt worden ist?
Ich hoffe es.
Die Bilder im anderen Zimmer zeigen ein sympathisches Ehepaar im mittleren Alter. Wenn man die Zeit überschlägt, die seit dem Entstehen der Bilder vergangen ist, dürften sie jetzt schon im Rentenalter oder kurz davor sein. Der Sohn, der auf dem einen Bild zwischen Ihnen steht, erwachsen und vielleicht sogar schon selbst verheiratet.
Es sieht nach einer zufriedenen und guten Familie aus. Aber andererseits, welcher Familie sieht man die Probleme und Lügen auf Bilder jemals an?
Ich kenne sie nicht.
Kann auf sie keine Rücksicht nehmen.
Die Decke und der relativ saubere Flur werden genügen müssen.
Es ist anstrengend die Decke Stück für Stück über den Boden zu ziehen. Der Holzboden mag zwar weniger Widerstand aufbringen als Teppich, aber im Gegenzug haben die alten Dielen Splitter, Ecken und Kanten, an denen die Decke immer wieder hängen bleibt.
Die schöne blaue Satin - Bettwäsche ist schon nach der Hälfte der Strecke deutlich mitgenommen. Wenn ich erst beide Leichen auf der Bühne habe, wird sie leider nicht mehr zu gebrauchen sein.
Zu schade.
Es ist ein schönes Blau.
War ein schönes Blau.
Denn jetzt ist es ja vom Blut verfärbt.
Ich lege die Decke parallel zum Bett und fasse ihn unter den Armen. Ein Körper ohne Haut fühlt sich komisch an. Merkwürdig trocken, an den Stellen, an denen das Blut schon getrocknet ist.
Ungewohnt.
Es kostet mich einige Anstrengung den Oberkörper auf das Bett zu hieven. Immer wieder droht er der Schwerkraft nachzugeben und wieder zu Boden zu fallen. Ich kann nicht aufgeben, aber doch habe ich das Gefühl, als würde sein Hinterteil nie auf der Bettkante liegen bleiben wollen.
Selbst als gehäutete Leiche widersetzt er sich mir und kämpft gegen mich an.
Respekt.
Auch wenn dieser Widerstand nur eingebildet ist und es an meiner eigenen Ungeschicklichkeit liegt.
Ich weiß nicht, der wievielte Versuch schlussendlich klappte, aber am Ende fehlen nur noch die Füße, um in komplett auf die Bühne zu legen.
Das genaue Positionieren ist im Vergleich dazu ein Kinderspiel.
Es dauerte noch einmal eine halbe Ewigkeit, bist auch die Frau endlich auf dem Bett angekommen ist und ich mit der Feinarbeit beginnen kann.
Zum Glück hat die Totenstarre noch nicht eingesetzt. Wenn ich dem Glauben schenken kann, was ich irgendwann einmal im Internet gelesen habe, dann sollte es auch noch einige Stunden dauern. In den ersten 4 Stunden erstarren erst die Augenlieder und Kaumuskeln, nach etwa 6 bis 12 Stunden die kleinen Gelenke und erst nach über 12 Stunden ist sie komplett ausgeprägt.
Soweit ist es aber noch lange nicht.
Und so lange werde ich bis zur Vollendung des Werkes auch nicht mehr brauchen.