Ich
nehme eine tiefen Atemzug, genieße den Augenblick, versuche ihn bis ins letzte
Detail in meinem Gedächtnis auszunehmen. Ich spüre wie mein Atmen langsam und
kontrolliert meine Lungen füllt, dort einen Moment verharrt, bevor er meinen
Körper wieder verlässt. Ich konzentriere mich so stark, dass ich das Gefühl
habe, die Zeit nach meinem Willen anhalten zu können.
Nichts
entgeht mir, nichts werde ich vergessen.
Mein
erstes Werk ist vollendet.
Nein.
Falsch.
Mein
erstes eigenes Werk ist vollendet.
Der nette Psychologe -
zumindest gibt er sich alle Mühe "nett" zu wirken - sitzt mir noch
immer gegenüber, noch immer in einer scheinbar entspannten Haltung, noch immer
mit diesem freundlichen Lächeln.
Doch während ich diesen
ersten Teil meiner Geschichte erzählt habe, konnte ich sehen, dass meine
Schilderungen nicht ohne Spuren an ihm vorbei gegangen sind.
Er wollte es nicht zeigen,
aber ich habe es doch gesehen.
Erschrecken.
Angst.
Abscheu.
Gar nicht so nette Gefühlsregungen.
Aber auf eine gewisse Weise sehr befriedigend für mich. Der erste Schritt auf
dem Weg zu seiner Demaskierung ist getan. Noch verbirgt er seine wahren
Gefühle. Noch hat er den Versuch nicht aufgegeben mich zu täuschen, sich zu
täuschen, die Welt zu täuschen, darüber, wie er reagieren möchte und was er
fühlt.
Ich habe Zeit. Alle Zeit der
Welt, um ihm seine Maske zu nehmen. Noch ist meine Geschichte nicht zu Ende.
Seine Stimme reißt mich aus
meinen Gedanken.
Ein Widerspruch. Er ist ihm
aufgefallen.
Sehr gut.
Er führt aus, dass ich ganz
am Anfang von einem Haus erzählte, in dem eine Familie ihr Leben verlor. Sie
sollten die ersten gewesen sein, denen ich die Maske nahm. Wie ist es dann
möglich, dass ich meine Frau und ihre Affäre als mein erstes Werk bezeichne?
Wie kann es dann sein, dass der Verrat meiner Frau mich zu dieser Gewalttat
getrieben hat, wenn ich schon vorher einer ganzen Familie auf mein Gewissen
lud?
Ich kann ein grinsen nur
schwer unterdrücken. Hätte ich doch nicht gedacht, dass ihm diese Feinheit
auffallen würde. Immerhin geht es um nur ein Wort.
Erstes.
Erstes Werk, erstes Mal die
Maske genommen.
Ich widerstehe dem Drang ihm
mit einem süffisanten Lächeln zu seiner Beobachtungsgabe zu beglückwünschen.
Noch ist es zu früh ihm zu zeigen, wie viel Spaß mir unser Gespräch
mittlerweile macht.
Stattdessen mache ich ihn
darauf aufmerksam, dass es keine Fehler meinerseits war, sondern eine
Fehlinterpretation durch ihn. Eine verständliche, ja, aber trotzallem eine
Fehlinterpretation.
Meine Frau und ihr Geliebter
waren mein erstes eigenes Werk, weil es die ersten Menschen waren, die ich mit
meinen eigenen Händen getötet habe. Die Familie war die erste, denen ich die
Masken nahm. Das Töten überlies ich damals aber noch jemand anderem. Der
Menschennatur, der Rachsucht, der Eifersucht, dem Hass.
Ich brauchte nur zu
beobachten, was meine Worte in den Menschen auslösten.
Zu beobachten, was passiert,
wenn sie plötzlich ohne Maske dastehen.
Zu lernen, wie der Mensch in
seinem Innersten wirklich ist.
Ich vergrub dieses Wissen
und diese Erfahrungen hinter meiner eigenen Maske. Verdrängte den Hass auf die
Lügen hinter eigenen Lügen. Wuchs heran, lernte, studierte, heiratete und vergaß
was mich diese Familie lehrte.
Bis zu dem Moment, als meine
Lüge zerbrach, meine Maske mir genommen wurde und ich meine Bestimmung
erkannte. Bis meine Frau mir alles nahm und gleichzeitig so viel gab.
Nicht nur meine Bestimmung,
sondern auch den Impuls zu meinem ersten Werk.
Ich sehe ihm an, dass er mit
dieser Antwort nicht gerechnet hatte, dass sie ihn überrumpelt. Er möchte
wissen, was damals ihn diesem Haus, in diesem Wohnzimmer, in dieser Familie
passiert ist. Was ich gesagt und sie getan haben.
So sei es.
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