Mittwoch, 3. Dezember 2014

Masken Kapitel 2 / Teil 4



Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, ob es schon Mittag ist oder sich gar der Tag schon wieder zum Ende neigt. Ich habe komplett das Zeitgefühl verloren und doch meine Arbeit fast vollendet.
Die Bettdecke liegt jetzt auf dem Boden, dunkel gefärbt von dem Blut des Toten auf ihr. Seine Haut habe ich auf dem Bett zusammengelegt.
Ordentlich.
Fast wie ein Hemd oder ein teurer Anzug.
Schlagartig habe ich ein Bild vor Augen, wie die Haut wohl auf einem Kleiderbügel aussehen würde, an den Kanten wieder zusammengenäht zu einem Anzug, den der Tode nur eben kurz ausgezogen hat.
Ich kann ein leichtes Grinsen nicht verhindern, als ich mir dieses absurde Bild einfach vorstellen muss.
Unpassend?
Ja vielleicht. Oder sogar wahrscheinlich. In Gegenwart der Verstorbenen, der Ermordeten, sollte ich ein wenig mehr Ernsthaftigkeit und Respekt zeigen. Doch ich kann nicht verhindern, dass mir dieses Bild immer und immer wieder durch den Kopf geht. Ich will es überhaupt nicht verhindern, denn es lässt mich grinsen, ja fast schon lachen.
Es macht mich glücklich.
Vielleicht sollte ich es in die Tat umsetzten und aus dem Gedanken Wirklichkeit werden lassen. Bisher habe ich praktischerweise auch noch keine passende Stelle für die abgelegte Haut in meinem Werk. Bis auf das Gesicht. Aber das brauche ich für einen Anzug auch nicht.
Ich bücke mich hinunter zur Decke und nehme die beiden Ecken in die Hand. Ohne sie könnte ich den Leichnam nie in das andere Zimmer transportieren. War er vorher schon groß und schwer, bedeutet das Fehlen der Haut zusätzlich noch weniger Halt für meine Hände. Es war schon schwer genug ihn auf die Decke zu legen.
Also beginne ich langsam die Decke über den Boden zu ziehen. Praktischerweise ist der Holzboden relativ glatt. Nicht unbedingt eben. Aber ein Teppichboden hätte mit Sicherheit deutlich mehr Widerstand bedeutet.
Außerdem hinterlasse ich auf diesem Weg keine zu offensichtliche Spur auf den Boden. Keine breite, blutige Schleifspur. Vielleicht werden mir die Besitzer der Hütte dafür zumindest ein wenig dankbar sein. Immerhin ein Raum weniger, der von Blut und Leichen gesäubert werden muss.
Dabei wird mir bewusst, dass ich überhaupt nicht weiß, wem diese Hütte gehört. Ob sie es sich überhaupt leisten können sie zu renovieren, wenn mein Werk erst einmal entdeckt worden ist?
Ich hoffe es.
Die Bilder im anderen Zimmer zeigen ein sympathisches Ehepaar im mittleren Alter. Wenn man die Zeit überschlägt, die seit dem Entstehen der Bilder vergangen ist, dürften sie jetzt schon im Rentenalter oder kurz davor sein. Der Sohn, der auf dem einen Bild zwischen Ihnen steht, erwachsen und vielleicht sogar schon selbst verheiratet.
Es sieht nach einer zufriedenen und guten Familie aus. Aber andererseits, welcher Familie sieht man die Probleme und Lügen auf Bilder jemals an?
Ich kenne sie nicht.
Kann auf sie keine Rücksicht nehmen.
Die Decke und der relativ saubere Flur werden genügen müssen.
Es ist anstrengend die Decke Stück für Stück über den Boden zu ziehen. Der Holzboden mag zwar weniger Widerstand aufbringen als Teppich, aber im Gegenzug haben die alten Dielen Splitter, Ecken und Kanten, an denen die Decke immer wieder hängen bleibt.
Die schöne blaue Satin - Bettwäsche ist schon nach der Hälfte der Strecke deutlich mitgenommen. Wenn ich erst beide Leichen auf der Bühne habe, wird sie leider nicht mehr zu gebrauchen sein.
Zu schade.
Es ist ein schönes Blau.
War ein schönes Blau.
Denn jetzt ist es ja vom Blut verfärbt.
Ich lege die Decke parallel zum Bett und fasse ihn unter den Armen. Ein Körper ohne Haut fühlt sich komisch an. Merkwürdig trocken, an den Stellen, an denen das Blut schon getrocknet ist.
Ungewohnt.
Es kostet mich einige Anstrengung den Oberkörper auf das Bett zu hieven. Immer wieder droht er der Schwerkraft nachzugeben und wieder zu Boden zu fallen. Ich kann nicht aufgeben, aber doch habe ich das Gefühl, als würde sein Hinterteil nie auf der Bettkante liegen bleiben wollen.
Selbst als gehäutete Leiche widersetzt er sich mir und kämpft gegen mich an.
Respekt.
Auch wenn dieser Widerstand nur eingebildet ist und es an meiner eigenen Ungeschicklichkeit liegt.
Ich weiß nicht, der wievielte Versuch schlussendlich klappte, aber am Ende fehlen nur noch die Füße, um in komplett auf die Bühne zu legen.
Das genaue Positionieren ist im Vergleich dazu ein Kinderspiel.
Es dauerte noch einmal eine halbe Ewigkeit, bist auch die Frau endlich auf dem Bett angekommen ist und ich mit der Feinarbeit beginnen kann.
Zum Glück hat die Totenstarre noch nicht eingesetzt. Wenn ich dem Glauben schenken kann, was ich irgendwann einmal im Internet gelesen habe, dann sollte es auch noch einige Stunden dauern. In den ersten 4 Stunden erstarren erst die Augenlieder und Kaumuskeln, nach etwa 6 bis 12 Stunden die kleinen Gelenke und erst nach über 12 Stunden ist sie komplett ausgeprägt.
Soweit ist es aber noch lange nicht.
Und so lange werde ich bis zur Vollendung des Werkes auch nicht mehr brauchen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen