Ich
weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, ob es schon Mittag ist oder sich gar
der Tag schon wieder zum Ende neigt. Ich habe komplett das Zeitgefühl verloren
und doch meine Arbeit fast vollendet.
Die
Bettdecke liegt jetzt auf dem Boden, dunkel gefärbt von dem Blut des Toten auf
ihr. Seine Haut habe ich auf dem Bett zusammengelegt.
Ordentlich.
Fast
wie ein Hemd oder ein teurer Anzug.
Schlagartig
habe ich ein Bild vor Augen, wie die Haut wohl auf einem Kleiderbügel aussehen
würde, an den Kanten wieder zusammengenäht zu einem Anzug, den der Tode nur
eben kurz ausgezogen hat.
Ich
kann ein leichtes Grinsen nicht verhindern, als ich mir dieses absurde Bild einfach
vorstellen muss.
Unpassend?
Ja
vielleicht. Oder sogar wahrscheinlich. In Gegenwart der Verstorbenen, der
Ermordeten, sollte ich ein wenig mehr Ernsthaftigkeit und Respekt zeigen. Doch
ich kann nicht verhindern, dass mir dieses Bild immer und immer wieder durch
den Kopf geht. Ich will es überhaupt nicht verhindern, denn es lässt mich
grinsen, ja fast schon lachen.
Es
macht mich glücklich.
Vielleicht
sollte ich es in die Tat umsetzten und aus dem Gedanken Wirklichkeit werden
lassen. Bisher habe ich praktischerweise auch noch keine passende Stelle für
die abgelegte Haut in meinem Werk. Bis auf das Gesicht. Aber das brauche ich
für einen Anzug auch nicht.
Ich
bücke mich hinunter zur Decke und nehme die beiden Ecken in die Hand. Ohne sie
könnte ich den Leichnam nie in das andere Zimmer transportieren. War er vorher
schon groß und schwer, bedeutet das Fehlen der Haut zusätzlich noch weniger
Halt für meine Hände. Es war schon schwer genug ihn auf die Decke zu legen.
Also
beginne ich langsam die Decke über den Boden zu ziehen. Praktischerweise ist
der Holzboden relativ glatt. Nicht unbedingt eben. Aber ein Teppichboden hätte
mit Sicherheit deutlich mehr Widerstand bedeutet.
Außerdem
hinterlasse ich auf diesem Weg keine zu offensichtliche Spur auf den Boden.
Keine breite, blutige Schleifspur. Vielleicht werden mir die Besitzer der Hütte
dafür zumindest ein wenig dankbar sein. Immerhin ein Raum weniger, der von Blut
und Leichen gesäubert werden muss.
Dabei
wird mir bewusst, dass ich überhaupt nicht weiß, wem diese Hütte gehört. Ob sie
es sich überhaupt leisten können sie zu renovieren, wenn mein Werk erst einmal
entdeckt worden ist?
Ich
hoffe es.
Die
Bilder im anderen Zimmer zeigen ein sympathisches Ehepaar im mittleren Alter.
Wenn man die Zeit überschlägt, die seit dem Entstehen der Bilder vergangen ist,
dürften sie jetzt schon im Rentenalter oder kurz davor sein. Der Sohn, der auf
dem einen Bild zwischen Ihnen steht, erwachsen und vielleicht sogar schon
selbst verheiratet.
Es
sieht nach einer zufriedenen und guten Familie aus. Aber andererseits, welcher
Familie sieht man die Probleme und Lügen auf Bilder jemals an?
Ich
kenne sie nicht.
Kann
auf sie keine Rücksicht nehmen.
Die
Decke und der relativ saubere Flur werden genügen müssen.
Es
ist anstrengend die Decke Stück für Stück über den Boden zu ziehen. Der
Holzboden mag zwar weniger Widerstand aufbringen als Teppich, aber im Gegenzug
haben die alten Dielen Splitter, Ecken und Kanten, an denen die Decke immer
wieder hängen bleibt.
Die
schöne blaue Satin - Bettwäsche ist schon nach der Hälfte der Strecke deutlich
mitgenommen. Wenn ich erst beide Leichen auf der Bühne habe, wird sie leider
nicht mehr zu gebrauchen sein.
Zu
schade.
Es
ist ein schönes Blau.
War ein schönes Blau.
Denn
jetzt ist es ja vom Blut verfärbt.
Ich
lege die Decke parallel zum Bett und fasse ihn unter den Armen. Ein Körper ohne
Haut fühlt sich komisch an. Merkwürdig trocken, an den Stellen, an denen das
Blut schon getrocknet ist.
Ungewohnt.
Es
kostet mich einige Anstrengung den Oberkörper auf das Bett zu hieven. Immer
wieder droht er der Schwerkraft nachzugeben und wieder zu Boden zu fallen. Ich
kann nicht aufgeben, aber doch habe ich das Gefühl, als würde sein Hinterteil
nie auf der Bettkante liegen bleiben wollen.
Selbst
als gehäutete Leiche widersetzt er sich mir und kämpft gegen mich an.
Respekt.
Auch
wenn dieser Widerstand nur eingebildet ist und es an meiner eigenen Ungeschicklichkeit
liegt.
Ich
weiß nicht, der wievielte Versuch schlussendlich klappte, aber am Ende fehlen
nur noch die Füße, um in komplett auf die Bühne zu legen.
Das
genaue Positionieren ist im Vergleich dazu ein Kinderspiel.
Es
dauerte noch einmal eine halbe Ewigkeit, bist auch die Frau endlich auf dem
Bett angekommen ist und ich mit der Feinarbeit beginnen kann.
Zum
Glück hat die Totenstarre noch nicht eingesetzt. Wenn ich dem Glauben schenken
kann, was ich irgendwann einmal im Internet gelesen habe, dann sollte es auch
noch einige Stunden dauern. In den ersten 4 Stunden erstarren erst die
Augenlieder und Kaumuskeln, nach etwa 6 bis 12 Stunden die kleinen Gelenke und
erst nach über 12 Stunden ist sie komplett ausgeprägt.
Soweit
ist es aber noch lange nicht.
Und so lange werde ich bis zur Vollendung des Werkes auch nicht mehr brauchen.
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